Zu den Torres, den Türmen im Parque Nacional Torres del Paine wollen wir heute wandern. Die Anfahrt mit unserem Van führt wieder am Lago Sarmiente und weiteren wunderschönen, grünen Seen vorbei. Das Massiv des Paine mit den Torres darin ist Gott sei Dank nicht ganz wolkenverhangen. Auf dem Bild ist halb rechts das Tal zu den Torres gut erkennbar und schwach im Hintergrund auch zwei der Türme, zu denen wir wollen. Eine schmale Brücke muß der Bus überwinden und dabei ist Millimeterarbeit gefragt. Daniel schafft es mit Bravour. Eine Art Rasthaus mit reichlich Besuchern ist Ausgangspunkt der Wanderung zu den Torres. Auf den Weg machen sich offenbar aber nur sehr wenige.
Das Wetter ist unfreundlich und kalt; dazu noch ein kräftiger Wind, oder besser schon Sturm genannt. Unsere Gruppe geht los und kommt alsbald zu einer Hängebrücke, die wenig vertrauenswürdig aussieht. Zwei Bretter fehlen und sie schaukelt im Wind. Einer nach dem anderen wagt den Übergang. Nun kommt der Anstieg auf einem schmalem Pfad; rechts steil bergab, links steil bergauf und der Wind heult um uns herum. Unten tauchen grüne Seen auf. Nach ca. 1 1/2 Stunden hört der Pfad auf, er ist von einer Gerölllawine verschüttet. Vorsichtig hangeln wir uns über diese nicht ganz ungefährliche Stelle. Und jetzt kommt das schlimmste Stück, obgleich es gar nicht so aussieht. Wir müssen nur um die Ecke in das Tal zu den Torres. Es ist nicht zu fassen. Sobald man die Nase um die Ecke hält, erfaßt einen der Sturm mit so unglaublicher Gewalt, dass man nicht weiß, wie man auf den Beinen bleiben soll. Und nach den Seiten geht es steil auf- und abwärts. Völlig entnervt kehrt Brigitte um, Ingelore und Marlies schließen sich an. Ihnen reicht's.
Der Rest der Gruppe versucht sein Glück, um die Ecke zu kommen. Hand in Hand und eng an den steilen Hang gepresst schafft es einer nach dem anderen und ist dann glücklich, wohlbehalten angekommen zu sein. Im Tal ist der Sturm nicht ganz so schlimm. Am Hang entlang müssen wir jetzt weiter und der Weg vor uns ist gut erkennbar. Das vorherige Bild zeigt ihn. Dennoch wahnsinnig vorsichtig müssen wir sein, insbesondere bei den Geröllfeldern. Ein falscher Tritt und die Lawine aus Kies, Sand, Steinen und einem selbst geht abwärts. Der Blick nach unten ins Tal ist schön, zumal dann, wenn der Hang moosig bewachsen ist und Sicherheit verbreitet. Die schlimmen Wegstücke sind überwunden und vor uns liegt Wald. Hier treffen wir sogar Leute, die gerade oben bei den Torres waren und jetzt ihre Rast machen.
Den angenehmen Waldweg im Tal müssen wir jetzt verlassen. Es geht wieder kräftig aufwärts. Zwei weitere aus der Gruppe streiken jedoch und bleiben lieber unten am Bach, um auf unsere Rückkehr zu warten. Steine bis hin zu recht gewaltigen Felsblöcken müssen auf dem nicht mehr erkennbaren Weg nach oben überstiegen oder umrundet werden. Ein hartes Stück Arbeit und es geht in die Knie. Von oben höre ich rufen: Die Torres sind zu sehen. Es spornt mich an und endlich sehe ich sie auch. Gewaltig, gewaltig erheben sie sich, bis in die Wolken hinein. Ich bin begeistert, dass wir sie tatsächlich in voller Größe zu sehen bekommen. Und weit unter uns die Laguna Vega, der Gletschersee. Ein Bild für die Götter. Von der Spitze der Torres bis hinab zur Laguna Vega ein Panorama von circa 2000 m.
Stark windig und sehr kalt ist es natürlich auch hier oben, was wir vor Begeisterung aber kaum wahrnehmen. Bis zur Laguna Vega steigen wir über das Geröll und Gestein hinab, obgleich wir dann wieder hinauf müssen. Bei dieser Sicht muß es einfach sein. Denn nicht viele Wanderer im National Park Torres del Paine bekommen die Hörner so herrlich zu sehen, wie wir heute. Zum Beweis dafür werden selbstverständlich ausreichend Bilder geschossen. Jeder klickt und läßt sich klicken. Nach diesem Erlebnis ist der Rückweg für uns nur eine Frage der Zeit; der Sturm ist auch etwas abgeflaut. Wir haben den anderen jetzt viel von den Torres und der Laguna Vega zu erzählen.
Der Rückweg von den Torres geht recht gut vonstatten. Selbst die schlimme Ecke wird von dieser Seite aus besser gemeistert; der Sturm ist allerdings auch nicht mehr so stark. Die marode Hängebrücke schaukelt jedoch wie gehabt. Eine Tasse heißen Kaffees genehmigen wir uns noch vor der Abfahrt. Wieder geht es am Lake Pehoe und dem Lago Nordenskjöld vorbei. Zeitweise zeigt sich sogar das Massiv des Paine fast wolkenfrei. Das Abendessen genießen wir heute in unseren besten Klamotten, da Buffet angesagt ist und sogar Sekt serviert wird. Draußen heult der Wind und Regen prasselt an die Scheiben. - Morgens ist das Wetter ein bißchen besser; ab und zu scheint sogar die Sonne durch die Wolken. Wir wandern zum Grey Lake. Der romantische Weg über die Wiesen mit dem Blumenmeer ist leider zu naß und so nehmen wir lieber die 'Straße'. Die Landzunge im See, der See selbst, der Gletscher, die kleine Halbinsel, alles hätte wunderschön sein können.
Doch es fängt wieder an zu nieseln und der Sturm wird so gewaltig, dass er uns fast in den See treibt. Wir flüchten zurück in die Hosteria. Heute soll's noch nach Puerto Natales gehen. Unser Nobelbus zum Fluss ziert sich allerdings; er springt nicht an. Alle Mann müssen schieben. Als wir es fast schon aufgeben, springt das Gefährt unter Ächzen und Stöhnen doch noch an und schafft es recht mühsam zum Schlauchboot. Eine kurze Fahrt bringt uns bis zum Infocenter des Parque Nacional Torres del Paine.
Hier treffen wir auf Daniels Schwarm, ein junges, deutsches Mädchen, das mit Begeisterung im Park als Rangerin arbeitet. Daniel hat guten Geschmack und ich kann verstehen, dass er sogar die Zweitagesreise in Kauf nimmt, nur um sie zu sehen. Die hübsche Rangerin erklärt uns so einiges über die Tier- und Pflanzenwelt im Park, die Geologie der südlichen Anden, zeigt anschauliche Bilder und präparierte Tiere. Vor allem aber sind wir froh, hier im Trockenen zu sitzen, auch wenn es nicht gerade warm ist.
Nach unserem Essen aus dem Luchpaket im Infocenter steht noch eine kurze Wanderung zu einem Wasserfall auf dem Programm sowie zu einer Aussichtsplattform. Der Wasserfall ist grandios, die Aussicht auf dem Aussichtspunkt aber gleich Null. Der Sturm peitscht uns den Regen ins Gesicht und wir klammern uns aneinander, um nicht wegzufliegen. Wir wollen es nicht mehr glauben, aber plötzlich reißt der Wind ein Loch in die Wolkendecke und fegt Regenwolken weg. Berggipfel werden frei, als ob ein Vorhang weg gezogen würde. Für mich gibt's kein Halten mehr. Ein Fußweg entlang des Lago Pehoe führt genau auf das Paine Massiv zu. Und alle, die nicht im Bus geblieben sind, wandern mit Begeisterung los. Immer freier werden die Berge, die Sonne bricht durch und das Panorama wird gewaltig. Der Sturm peitscht das Wasser des Lake Pehoe meterhoch und die Gischt zieht bis zu uns herüber. Undurchdringliches Gestrüpp links und rechts des Pfades; wie riesiges Moospolster sieht es aus. Der Sturm fegt das ganze Massiv frei. Einfach toll dieser so völlig unerwartete Blick.
Ein Hügel muß noch überwunden werden, um uneingeschränkten Blick auf das gesamte Paine Massiv zu haben. Im Eilschritt geht es aufwärts. Hinter der Gipfelkette zieht bereits eine Wolkendecke heran, wie ich zu meinem Kummer sehen muß. Die Gipfel sind schnell erreicht und die ersten Wolken beginnen die Hänge herab zu kommen. So rasend schnell wie die Berge frei wurden, werden sie jetzt leider wieder verhüllt. Nur schemenhaft scheinen die Gipfel noch durch die Wolken und verschwinden dann endgültig. Um so schöner glänzt jetzt der grünliche Lago Pehoe in seinem dunklen Umfeld zu uns herauf. Einige Sonnenstrahlen bleiben auf seinem Wasser und zeichnen die Wellen nach. Wir genießen die restlichen Minuten bis auch der See grau und bleiern aussieht und wandern dann versöhnt mit Wind und Wetter im Parque Nacional Torres del Paine zum Bus zurück.
Zufrieden sitze ich jetzt im Bus und die Tour durch die Anden nach Puerto Natales in Chile kann nun weiter gehen. In dem Fischerdörfchen Puerto Pratt machen wir Halt. Dieser Ort wird sogar im Marco Polo Reiseführer angepriesen. Warum, wird sein Geheimnis bleiben. Außer einem schönen Haus, das zum Verkauf steht, sehen wir nur verwahrloste Hütten mit staubigen, schmutzigen Gärtchen davor. Malerisch wird es hier allerdings für kurze Zeit. Die Sonne bricht durch die Wolken, ein Stück des Torres Massiv wird frei. Ein friedliches, schönes Bild mit Vogelschwärmen auf dem Wasser zeigt sich uns. Gegen Abend sind wir in Puerto Natales. In einer recht hübschen kleinen Pension ist Quartier. Einen Stadtbummel machen wir am Folgetag; es ist Sonntag und nichts los in den Straßen. Nur fürchterlicher Wind fegt durch die Stadt und durch den Hafen. Einzige Attraktion bietet eine Lokomotive auf dem Marktplatz; sie dient als Spielgerät für Kinder.
Von Puerto Natales aus geht unsere Fahrt weiter nach Süden. Heutiges Ziel wird die Hafenstadt Punta Arenas an der Magellan Straße sein. Wir fahren hier auf der Pan Americana, die von Alaska bis nach Feuerland führt. Einseitig ist sie streckenweise sogar betoniert. Und da man weit ins Land hineinschauen kann, darf auch die linke Straßenseite, die betonierte, benutzt werden, so lange kein Gegenverkehr herrscht. Aber wann herrscht der mal ?! In einem Bistro am Wege kann ein zahmer, blinder Condor besichtigt werden, der mit Hühnern zusammen lebt. Leider kommt er nicht aus seinem Verschlag. So imposant diese Vögel in der Luft auch aussehen, am Boden sind es wirklich nur häßliche Geier. Ein besonderes Erlebnis steht uns heute noch bevor. Der Besuch einer Kolonie von Magellan Pinguinen, die am Seno Otway in Chile brüten.
Die Kolonie der Magellan Pinguine liegt am Seno Otway, einer Art Fjord, zu der eine eigene Straße führt. Und dann muß noch eine halbe Stunde am Ufer entlang gewandert werden. Der Parkplatz ist gut gefüllt und die Gruppe geht los, bis auf Carola und Uli, die wieder mal nicht in die Pötte kommen und Vögelchen betrachten. Ich pfeife nach ihnen. Da sie jetzt nur interessiert in eine andere Richtung schauen, pfeife ich nochmals. Und dann merke ich, was mein Pfeifen angerichtet hat: Hunderte von Schafen, die in der Umgebung gegrast haben, sind panikartig auf der Flucht. Alles lacht, nur mir ist es peinlich. Nach einer kurzen Einweisung, wie wir uns gegenüber den Pinguinen zu verhalten haben, um sie nicht zu stören, beginnt der Spaziergung durch die Kolonie der Magellan Pinguine.
Sie leben familienweise in den Dünen und in Erdlöchern in der Nähe des Wassers. Jedoch nur für die Zeit der Brut, ansonsten leben sie im Wasser. Der Nachwuchs, teilweise noch im grauen flauschigen Federkleid, lugt neugierig und hungrig aus den Löchern, von einem Elternteil bewacht, während der andere auf Fischfang unterwegs ist, um die stets hungrigen Schnäbel der Jungen stopfen zu können. Auf dem obigen Bild ein Elternpaar, das einen vorbeikommenden Einzelgänger regelrecht beschimpft und dann laut schreiend mit gereckten Hälsen davon jagt. Offenbar ist er zu nahe an das mit zwei Kindern bevölkerte Erdloch geraten.
Unten am Strand des Seno Otway herrscht emsiges Leben. Von einer breiten Mauer herab kann man wunderbar dem Treiben der Magellan Pinguine zusehen. Ständig kommen und gehen Elternteile um für das Abendessen Fisch auf den Tisch zu bringen. Die Teenager der Magellan Pinguine erhalten derweil von ihrem Onkel Unterricht im Schwimmen. Denn auch das Schwimmen muß gelernt werden. Heute sieht es aber so aus, als ob die Halbstarken bei der Kälte und dem Sturm keine so rechte Lust zum Unterricht hätten. Aber es hilft nichts, sie müssen spuren. Putzig sehen die Tierchen aus und man möchte sie am liebsten knuddeln. Es ist ein recht großes Areal, durch das man wandern kann, um einen Eindruck vom Leben dieser Pinguine zu bekommen. Nur der jetzt wieder einsetzende peitschende Regen hindert uns, über Gebühr in der Kolonie der Magellan Pinguine zu bleiben.
Fotografiert werden die Magellan Pinguine von allen Seiten und von jedermann. Marlies ist dabei so eifrig, dass sie sogar den Deckel für das Batteriefach ihrer Kamera verliert und nun auf der Suche herum irrt. Ingelore hat offenbar eine Schwäche für Stinktiere, denn außer ihr entdeckt sie keiner von uns. Ein Nandu-Vater mit ca. 13 Kücken hält sich ebenfalls in der Kolonie der Pinguine auf. Es wird ein Erlebnis, diese Familie bei dem jetzt immer stärker werdenen Regen zu beobachten. Der Vater breitet weit die Flügel aus und die Kleinen kommen von allen Seiten angerannt, um Schutz vor der Nässe zu suchen. Dann setzt er sich und von den Kücken ist nichts mehr zu sehen. Nur zwei Verspätete müssen noch untergebracht werden, was auch gelingt. Der Familienoberhaupt ist zufrieden. Uns reicht der Regen jetzt ebenfalls und wir flüchten Richtung Bus. Noch 100 km sind es bis Punta Arenas an der Magellan Straße oder wie man in Chile sagt Estreito de Magalhaes.
Fortsetzung: Punta Arenas ~ Ushuaia