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Reise nach Argentinien Patagonien im Dez/Jan 1996


III

Fitz Roy Massiv ~ Perito Moreno



Unsere Wanderung habe ich mir schwieriger vorgestellt. Die Bergkuppe ist erreicht und wie wir jetzt sehen, dahinter geht es wieder bergab. Unten im Kessel hat sich ein Gletschersee breit gemacht, an dem bereits eine andere Gruppe zu sehen ist. Es sind auch Deutsche wie wir feststellen. Jeder von uns wandert ein bißchen am See herum, setzt sich dann irgendwo hin und läßt die Bergwelt mit der bis in die Wolken aufragenden Wand des Fitz Roy auf sich wirken. Ein Stück weiter wollen wir noch und steigen auf einen seitlichen Berggrat oberhalb des Gletschersees.

Nach der anderen Richtung bricht der Berg wie ein Wand ab; mindestens dreihundert Meter geht es hier steil nach unten und unwillkürlich mache ich einen Schritt rückwärts. Der Blick nach unten ist traumhaft und völlig unerwartet. In der Tiefe ein See mit einer blauen Farbe vom Feinsten. Von drei Seiten ist er mit himmelhohen Wänden eingefaßt und überall bahnen sich Sturtzbäche des Gletscherwassers den Weg nach unten. Nur langsam wagen wir uns weiter vor bis zur Abbruchkante. Allein dieser Blick wäre jede Mühe Wert gewesen. Nur die Nadel des Cerro Torre will sich einfach nicht wolkenfrei zeigen. Vielleicht ja Morgen, so hoffe ich. Ein göttlicher Berg für die Bergsteiger. Aus aller Welt kommen sie hier her, um den Fitz Roy und den Cerro Torre zu bezwingen. Mir genügt schon der grandiose Anblick der in Woken und Gletscher eingebetteten beiden Berge, um sie für mich unvergesslich zu machen. Den Rückweg nach El Chalten nehmen wir über die Laguna Capri, einem kleinen friedlichen See mit einer an Capri erinnernden Insel.

Der Silvestertag zeigt, wie das Wetter hier auch sein kann. Es regnet und stürmt den ganzen Tag. Dennoch machen wir unsere Tageswanderung am Rio Fitz Roy entlang zur Laguna del Torre, immer in der Hoffnung, daß der Cerro Torre sich uns doch noch zeigen wird. Auf Messners Spuren bewegen wir uns, denn einige Höhlen gibt es hier, an denen der Film 'Der Fels ruft' gedreht worden ist. Naß und kalt ist es; der Wind frischt allmählich zum Sturm auf. Die Aussicht gleich Null. Die Laguna liegt bleiern vor uns, der Blick zum Cerro Torre nur auf eine graue Wolkenwand. Kaum zu erkennen auch der Gletscher im Wolkennebel. Schleunigst kommen wir von der Höhe runter und beim Picknick hockt die Gruppe im Windschatten von Felsüberhängen. Den selben Weg müssen wir zur Silvesterfeier wieder zurück.

Eine alte Dame lernen wir im Hotel kennen, die jetzt in Berlin im Stift lebt, aber früher in der Gegend um El Chalten aufgewachsen ist. Sie erzählt sehr interessant aus ihrer Kindheit. Das Leben in Patagonien ist auch heute nicht leicht, aber früher ohne Autos und Flugzeuge, ohne Telefon bzw. Funk, ohne Schulen, Arzt und unmittelbare Nachbarn war es wirklich hart. Um die Wolle zur Küste zu bringen und zu verkaufen, brauchte man Wochen mit Pferd und Wagen. In der Zeit waren die Frauen und Kinder ganz verlassen und auf sich gestellt. Die alte Dame brauchte wegen ihrer bösen Sommerbronchitis, die es in Patagonia recht häufig gibt, einen Arzt. Heute kommt er schnell, aber früher brauchte der Arzt zwei bis drei Tage und dann konnte es zu spät sein.
Am Abend gibt es Buffet mit allen möglichen Fleischsorten, viele Salate und Nachtisch. Natürlich mit guten Wein, der in Argentinien ebenfalls angebaut wird, und um Mitternacht knallen die Sektkorken. Einige wollen in die Disco, kommen aber enttäuscht wieder zurück - überall nur tote Hose in El Chalten.

Der Neujahrstag zeigt sich mit Sonne. Aus unserer Panoramawanderung wird aber dennoch nichts, da sich die Berge - wie gehabt - in Wolken verstecken. Zum Ausgleich wird eine kleine Wanderung zu einem wunderschönen Wasserfall mit Sonnenbaden gemacht. Entlang eines Tals, in dem Flußwasser über die ganze Breite mäandert, wandern wir durch herrlichen Wald dort hin. Ohne Reiseleitung, aber mit größerem Bus geht unsere Tour durch Patagonien nachmittags weiter. Ziel ist der Ort El Calafate. Ingrid begleitet Carola wegen der Probleme mit der Netzhautablösung zum Arzt im entfernten Rio Gallegos. Es sind über 400 km für die Beiden bis zur Atlantikküste.
Unsere Fahrstrecke dagegen ist um vieles kürzer. Nur der grünlich schimmernde Lago Viedma muss halb umrundet werden, um El Calafate zu erreichen. Begeisterung löst bei uns ein Nandu mit etwa 15 Küken aus. Erstaunlich, wie die Kleinen schon rennen können und im Pulk dem Vater hinterher laufen. Bei den Nandus ist allein der Vater für die Aufzucht zuständig. Von allen Küken ist er aber nicht der leibliche Vater; einige bekommt er schlicht von fremden Nandu Müttern untergeschoben. Daß Nandu Weiber so frech sind, hätte ich nicht gedacht.

In Calafate übernachten wir im Youth Hostel und zu Zweit gibts je ein Vierbettzimmer, was uns alle freut, da man sich mal wieder richtig ausdehnen kann. Und Abends geht's zum Grillessen ins Städtchen rein. Gewaltige Portionen werden auf den Tisch gestellt so daß ich mich frage, wer das alles essen soll. Geschafft haben wir's auch nicht. Ein sauberer Ort ist Calafate, wie alle Orte in Patagonien. Aber zu sehen gibt es nichts. Die Natur ist hier gefragt. Und die ist um El Calafate einmalig. Der Parque Nacional los Glaciares am Lago Argentino ist nämlich nicht weit und dort wollen wir heute hin.
Daniel ist der hiesige Führer, Fahrer und Unterhalter der Gruppe. Nur kommt er morgens nicht in die Pötte. Es fuchst mich gewaltig, da das Wetter toll ist und ich weiß, wie schnell es umschlagen kann. Gemütlich fahren wir endlich, endlich los. Daniel genießt das Cockpit seines neuen Van, leise Sambamusik ertönt aus diversen Lautsprechern und draußen zieht langsam die Landschaft vorbei. Die Wolken über den nahen Anden werden merklich dichter und ich in gleichem Maße unruhiger. Ein Ausläufer des Lago Argentino taucht auf und davor breitet sich eine Ebene aus, wie ich sie noch nie gesehen habe. Das obige Bild gibt einen Eindruck davon. Faszinierend !
Daniel hält und läßt an der farbigen Ebene aussteigen. Jeder soll sich einen Platz irgendwo in der Steppe aussuchen und einfach mal die Natur erlauschen und begreifen. Ich flippe fast aus; die Wolken über den so nahen Anden werden noch dichter. Keine Frage, die Ebene ist wunderbar. Aber am Abend sicher auch noch, wenn es zurück geht, denke ich - aber offenbar denke nur ich es und kein anderer. In alle Richtungen gehen sie davon. Auch ich habe gelauscht. Zu allem Überfluss hält Daniel jetzt noch an einem murmelnden Bach, damit wir das Murmeln und Plätschern genießen können. Ich resigniere und beobachte die Wolken nicht mehr.

Nach dem Erlauschen der Natur und nach Verinnerlichung des Murmelns und Plätschern des Baches geht die Fahrt nun weiter. Immer am See entlang. Es geht um einen Berg herum und dann endlich ist es soweit. Wir haben den ersten Blick auf den Perito Moreno Gletscher. Ein Bild der Harmonie und Schönheit. Jetzt steige ich mit Begeisterung aus, setz mich mit Gabi auf das niedrige Mäuerchen neben der Straße und laß die Natur auf mich wirken. Wir sind hier im Parque Nacional los Glaciares am Lago Argentino.

Alle der Gruppe sind fasziniert von diesem ersten Anblick über das grün-blaue Wasser des Lago Argentino hinüber auf den weißen Gletscher des Perito Moreno, der hier Glaciar Perito Moreno genannt wird. Und jeder läßt seine Kamera ausgiebig klicken. Gott sei Dank sind die Wolken noch nicht so weit vor gerückt, dass sie den Gletscher verdecken. Die den Perito Moreno umgebenden Berge verschwimmen allerdings schon stark im Nebel. So ganz will ich unserem Daniel deshalb seine Gemütlichkeit bei der Anfahrt nicht verzeihen; wir hätten vollen Blick auch über die Bergwelt haben können.

Der Parkplatz für den Besuch des Perito Moreno Gletscher liegt hoch auf einer Bergkuppe gegenüber der Zunge des Gletschers. Ein ausgesucht idealer Platz. So kommt man nämlich von oben her an den Glaciar heran und sieht ihn unter sich liegen. Dadurch bietet sich ein Panorama, das wohl einmalig auf der Welt sein dürfte. Über einen bestens angelegten Weg mit Treppen kann man dann immer tiefer hinab steigen, fast bis auf die Höhe des Perito Moreno. Der Eindruck und die Gewalt des Glaciar verändert sich dadurch tatsächlich mit jedem Schritt, den man macht. Unsere Begeisterung für den Parque Nacional los Glaciares wächst in gleichem Maße.

Der Weg von oben runter führt etwa bis auf Höhe der Oberkante des Glaciar Perito Moreno. Auf dieser Höhe kann man dann parallel zum Gletscher entlang wandern, immer mit Blick auf die gegenüber aufragende und tief zerklüftete Front des Perito Moreno. Ein besonderes Erlebnis ist es natürlich, wenn so ein riesiger Eisturm abbricht und in sich zusammen kracht. Dies geschieht mit ungeheuerem Getöse, denn diese Brocken sind bis zu 80 m hoch. Es ist als ob ein Wolkenkratzer einstürzt und im Wasser aufschlägt. Recht harmlos heißt es dann: Der Perito Moreno kalbt in den Lago Argentino. Auf dem vorher gehenden Bild gab es gerade eine solche Kalbung des Gletscher.

Die Berge der Anden um den Perito Moreno Gletscher verhüllen sich leider immer mehr. Ein bißchen nieselt es auch ab und zu auf unserer Seite. Die Sonne schafft aber erneut den Durchbruch und bestrahlt dankenswerter Weise stets den Gletscher. Die Spalten und Risse des Glaciar Perito Moreno und auch das Wasser des Lago Argentino nehmen mal eine mehr bläuliche, mal eine mehr grünliche oder auch eine Farbe dazwischen an, je nach Sonnenstand oder dem Blickwinkel. Auf dem Bild die engste Stelle. Sie war auch schon geschlossen vom Eis des Glaciar Perito Moreno und hatte den Arm des Lago Argentino, an dem wir von Calafate her gekommen sind, abgetrennt und das Wasser darin gestaut. Daher auch die farbigen Striche des Bewuchses in der Ebene, deren Natur wir erlauscht hatten. Es muss ein gewaltiges Ereignis gewesen sein, als hier der Durchbruch durchs Eis gelang, und das Wasser aus dem Seitenarm sich wieder in den Largo Argentino ergoß. Es soll weit zu hören gewesen sein.

Ich hätte den ganzen Tag so unmittelbar am Glaciar Perito Moreno verbringen können. Das Erlebnis ist wirklich nicht zu beschreiben, man muß den Anblick des Gletschers einfach selbst erlebt haben. Ein weiterer Höhepunkt steht uns aber noch bevor. Eine Bootsfahrt auf dem Seitenarm des Largo Argentino bis an das Eisgebirge des Perito Moreno heran. Saukalt und windig ist es auf dem Schiff. Jeder mummelt sich ein, denn hier heißt es an Deck zu bleiben, um ja keinen Augenblick zu verpassen. Die Abbruchkante des Perito Moreno rückt langsam näher. Es ist eine Front aus ca. 3 Kilometern Eis, die sich vor uns aufbaut. Die ersten Schollen treiben im Wasser und das Eisgebirge wächst immer höher und wuchtiger an.

Ein wirklich gewaltiges Eismassiv erhebt sich jetzt vor uns und dazu scheint noch die Sonne. Phantastisch. Zwischen 50 bis 70 m ragt die Eiswand aus dem Wasser des Lago Argentino. Einen ausreichenden Sicherheitsabstand müssen wir wegen der Eisschollen und der Gefahr eines Abbruchs von Eisblöcken jedoch halten. Dennoch, der Eindruck ist auch aus dieser Entfernung überwältigend. Wir fahren die gesamte Front von über 3 km ab. Wie in einer Nußschale kommen wir uns in dem gar nicht so kleinen Schiff vor. Das Bild zeigt rechts den Berg, auf dem der Parkplatz und der Weg von oben herab zum Gletscher Perito Moreno liegt. Leider gibt es keinen Maßstab für die Größenverhältnisse.

Fortsetzung: Glaciar Perito Moreno ~ Onelli


 



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