Der Himalaya, das höchste Gebirge der Welt, und Nepal üben schon lange Faszination auf mich aus. Und natürlich will ich dort auch mal hin. Nur als Zugabe im Rahmen einer anderen Reise - wie Nepal häufig angeboten wird - erscheint mir aber zu wenig. Denn allein das Tal von Kathmandu mit den Königsstädten Patan und Bhadgaon sowie die 8000-der nur von der Ferne zu sehen, würde Nepal sicher nicht gerecht werden. Das bedeutet aber, eine Trekkingtour in die Bergwelt des Himalaja machen zu müssen und das als Flachländer ohne jede köperliche Vorbereitung. Würde Gabi und ich diese Anstrengung überhaupt schaffen?
Eine Tour bei Ikarus Reisen sticht mir immer wieder ins Auge. Das Trekking soll von Pokhara aus über Dhampus, Landrung, Ghandrung nach Gorapani zum Aussichtsberg Poon Hill mit seinem Blick auf die 8000-Berge Annapurna I und II, den Dhaulagiri und insbesondere auch den Machepuchare gehen. Aber, aber ... Die Buchung wagen wir nicht. Eine weitere Tour steht im Prospekt, die ähnliche Blicke am Annapurna verspricht, jedoch kinderleicht sein soll. Das Trekking werden wir dann wohl schaffen!! - Der Flug geht mit Royal Nepal von Frankfurt nonstop nach Kathmandu.
Eine Übernachtung ist hier eingeplant und bereits am nächsten Tag folgt die 7-stündige Busfahrt nach Pokhara zum Ausgangspunkt unseres Trekkings. Phantastische Aussichten auf die schneebedeckten Riesen des Himalaja während der Fahrt geben schon jetzt einen kleinen Vorgeschmack auf das noch Kommende. Unvergessen bleibt mir der erste Blick auf den Machepuchare; die Berge sind verhangen, urplötzlich reißt jedoch die Wolkendecke auf und gibt hoch über uns am Himmel für kurze Zeit seine weiße Spitze frei. Diese Höhe hätte ich mir nun wirklich nicht vorstellen können. Wenig Begeisterung kommt auf, als wir hören, dass unser 1. Lager oben auf dem Berg steht und die Tour sofort los geht. Dieser Berg sieht nämlich nicht gerade flach aus, besonders nicht das erste Stück mit seinen vielen, hohen und feuchten Erdstufen. Aber es hilft nichts, wir müssen hoch.
Nun, das Gepäck brauchen wir nicht zu schleppen; als Träger sind Sherpas angeheuert. Klein und schmächtig sehen sie aus und mancher läuft hier sogar barfuß herum. Wie wollen die bloß unsere schweren Seesäcke und Taschen tragen, frage ich mich. Keinen einzigen der Seesäcke oder Taschen hätte ich auch nur 50 Meter weit tragen wollen, geschweige denn bergauf tragen können. Unser Sherpaführer sortiert mit sicherem Augenmaß das Gepäck und jetzt kommt einer der unglaublichsten Momente der ganzen Reise. Jeweils zwei, aber auch drei unserer Seesäcke werden zusammengebunden, weitere Utensilien für die Küche oder das Lager dazu gepackt und dann das Ganze einem einzigen der kleinen Sherpas auf den Rücken gehieft, letztlich nur von einem breiten Stirnriemen gehalten. Und schon läuft die geballte Ladung mit den dünnen Beinchen unten dran los, die Treppen des Berges hinauf. Völlig fassungslos stehen wir alle da und schauen ungläubig auf unser schnell nach oben entschwindendes Gepäck. Es wird täglich immer lange vor uns am Ziel sein. Noch heute ist mir diese Leistung der Sherpas absolut unbegreiflich.
Auch wir müssen jetzt ran; der Berg ruft oder soll ich richtigerweise sagen, wir wollen so schnell wie möglich unser Nachtlager erreichen. Denn vom gestrigen Flug und der heutigen, langen Busfahrt sind wir schon recht kaputt. Nur den kleinen Tagesrucksack auf dem Rücken werden die ersten und dann alle weiteren Stufen genommen. Und sie hören nicht mehr auf. Immer höher geht es hinauf; das Tal aus dem wir kommen, liegt schon weit unter uns. Reisterrassen, wunderschön anzusehen, breiten sich neben uns aus. Eigentlich wäre diese Wanderung durch die exotischen Felder ein Genuß, doch die Müdigkeit macht den Weg zur Plage. Ein letztes steiles Stück, dann ist der Bergrücken endlich erreicht. Über eine Steintreppe geht's hinauf. Gabi und ich sind bei der ältesten Dame der Gruppe geblieben, um sie nicht als Letzte alleine laufen zu lassen, zumal sie offenbar schon Probleme mit dem Steigen hat. Und dann passiert es. Ihr wird schwarz vor den Augen, fällt hintenüber und stößt mit dem Kopf an die Seitenmauer. Benommen bleibt sie kurze Zeit liegen, richtet sich dann aber wieder auf und meint, dass es nicht so schlimm sei. Der Schlußmann, ein Sherpa, bleibt ab jetzt bei ihr, so dass Gabi und ich weiter nach oben steigen können.
Alsbald ist die Höhe erreicht, doch von dem Lager keine Spur; nur einige bewohnte Hütten stehen hier. Claudio und Edda haben auf uns gewartet; sie hatten meine Rufe gehört. Müssen wir jetzt aber nach links oder nach rechts zum Lager, ist die Frage. Nach rechts entscheiden wir und wandern los. Da nach 15 Minuten immer noch nichts zu sehen ist und es langsam dunkel wird, kehren wir lieber um. Freundlicherweise steht genau am Scheideweg so eine Art Kneipe, die sogar Kerzenschein und Bier anbietet. Mein Vorschlag, einfach hier auf Abholung zu warten, wird sofort angenommen. Denn einmal können wir hier ein schönes Bier trinken und zweitens sind wir nicht zu verfehlen: Von unten her käme der Schlussmann und vom Lager links oder rechts, der Suchende müsste hier vorbei. Wir sitzen zufrieden und stimmungsvoll beim zweiten Bier, als aus der Dunkelheit unser Führer erscheint. Er kommt von links. Immerhin noch 25 Minuten dauert's bis der Schein des Lagerfeuers auftaucht und wir mit großem Hallo empfangen werden. Auch unsere verletzte Mechthild ist schon längst da.
Alle Zelte sind aufgebaut, jeweils für zwei Personen. Und ein großes Zelt, das als Essraum dient. Ein langer Tisch mit Tischdecke und Geschirr sowie Stühlen drum herum wartet schon auf uns. Gaslampen erhellen das Ganze und ich habe das Gefühl, jetzt beginnt tatsächlich der Urlaub. Beim vorzüglichen Essen mit Vorsuppe und Nachspeise sowie weiteren Bieren kann sich die Gruppe nun näher kennenlernen. Hartmut, unser Kinderarzt, will penetrant von jedem wissen, was er denn beruflich macht. Für mich eigentlich interessanter, es nicht sofort zu wissen. Jeder stellt sich der Runde vor und erzählt, wie er gerade auf diese Trekkingtour gekommen ist. Außer unserem Doktor, Gabi und meiner Wenigkeit wollen noch Bernd, Johanna, Sylvia ... dem Annapurna Massiv und Machapuchre auf die Pelle rücken. Irgendwann in der Nacht ziehen wir uns endlich zum Schlafen zurück. In Decken eingehüllt sehe ich noch die Sherpas unter freiem Himmel liegen.
Morgens werden wir von einem Sherpa geweckt und zwei Tassen mit dampfendem Tee erscheinen im Zelt. Eine so aufmerksame Bedienung lassen wir uns gerne gefallen. Nach dem Trunk schäle ich mich immer noch schläfrig aus dem Schlafsack und öffne meine Eingangsseite. Die Augen werden weit, denn was sich mir bietet, ist grandios. Ein Panorama aus Berg, Eis und Schnee. Genau vor mir erhebt sich der Bergriese Machepuchare in voller Größe, von seiner grünen Basis hoch bis zur eisigen Spitze, ca. 6.000 Meter. Einfach berauschend. Und nebenan zieht sich die weiße Kette des Annapurna Massiv dahin. Ich bin überwältigt von dieser phantasischen Berglandschaft, die sich mir so völlig unverhofft und plötzlich zeigt. "Gabi, du mußt sofort rauskommen, es ist unglaublich." Fünf Minuten sitzen wir staunend vor dem Zelt und können uns kaum von dem Anblick losreißen. Selbst die schweren Bergschuhe werden mit stetem Blick auf das Panorama geschnürt. Ich werde kaum fertig; die anderen sitzen schon längst am Frühstücks-Tisch, der jetzt im Freien steht und uns nichts von der Schönheit dieser Bergwelt versäumen läßt.
Ein Klo gibt's hier oben ebenfalls; es ist ein Plumpsklo mit einmaliger Sicht. Recht abenteuerlich ist aber sowohl der Weg dorthin als auch die sachgerechte Verrichtung auf ihm. Ich bin weder hinein gefallen, noch hat mir der Matsch die Schuhe ausgezogen, was mich gefreut hat. Zu Besuch kommen einige Kinder, die wohl in Dhampus wohnen. Sie sind nicht aufdringlich, sie wollen nur schauen, denn Touristen wandern hier sicher nur wenige vorbei. Recht dick, mollig und warm ist ihre Kleidung, was auf dem Berg sicher auch kein Wunder ist; denn kalt wird es auf der Höhe, wie wir gestern selbst gemerkt haben. Ein dekrotives Bild geben die Jungen und Mädchen ab, wie sie so vor mir stehen. Die Kamera lasse ich daher klicken. Abmarschbereit sind wir jetzt, der Lagerplatz wird picopello verlassen, die Sherpas hiefen ihre enormen Frachten hoch und rennen auf und davon. Ich will immer noch nicht glauben, was ich sehe.
Unsere Gruppe hat schon den ersten Ausfall zu verzeichnen, obgleich laut Programm das Trekking heute erst so richtig beginnt. Na, wenn das so weiter geht ... Mechthild hat eine leichte Gehirnerschütterung, wie Hartmut meint; sie solle daher vernünftig sein und hier in Damphus zurück bleiben. Ich werde den Eindruck nicht los, dass der lieben Mechthild - im Anblick des mächtigen Macchapuchhare - ein Stein vom Herzen über diese Diagnose fällt. Sie bleibt zurück.
(In diesem Bericht sind übrigens nicht alle Bilder ausgewiesen. Unter dem Link 'photos' findet man die gesamte Bildergalerie)
Fortsetzung: Trekking nach Ghorepani