Wir sind gerade dabei die Türe abzuschließen, um zum Flughafen zu fahren, als das Telefon klingelt. Das Flugzeug habe Probleme hören wir und wir sollen noch zu Hause warten. Ein weiterer Anruf: Wir sollen doch nach München fliegen und dort auf Kosten der Gesellschaft übernachten. Na, unsere Reise nach Mauritius fängt ja gut an. Ein verlorener Tag - dann geht's aber los. Über die Ägäis, entlang des Nils in Ägypten und Sudan, es folgt Somalia und der Indische Ozean. Gegen Abend ist die Insel Mauritius endlich erreicht. Natürlich geht heute kein Flieger mehr nach La Réunion und Übernachtung ist in Mauritius angesagt. Das Hotel liegt auf der anderen Seite der Insel und so lernen wir gleich mal halb Mauritius bei Nacht kennen. Morgens geht's wieder zurück zum Flughafen an die Ostküste und in 30 Min Flug nach La Réunion, der etwas größeren Schwesterinsel von Mauritius.
In weitem Bogen schweben wir in Saint-Denis, der Hauptstadt von La Reunion, ein. Die Insel ist ein französisches Überseedepartment und folglich spricht man hier französisch (neben kreolisch). Da uns - wie erwartet - niemand empfängt, muß ich mein Schulfranzösisch mühsam hervor kramen und schaffe es tatsächlich, einen für uns am Flughafen deponierten Opel Corsa in Empfang zu nehmen. Und gleich geht die Fahrt auch los, denn laut Programm ist heute ja bereits der 2. Tag in La Réunion. Die Sonne scheint warm, jeglicher Stress weicht von uns und wir beginnen es zu genießen, so allein auf fernem Eiland gemütlich dahin zu zuckeln. Links das tiefblaue Meer, rechts Felder mit Zuckerrohr und dahinter steil aufragende Berge bis in die Wolken hinein. Drei Wochen Urlaub liegen vor uns :-)))
Auf einem Vulkan fahren wir hier. Und im Süden von La Reunion ist er noch kräftig aktiv. Vor ca. 3 Mio Jahren hat die Insel ihre heutige Gestalt bekommen mit dem höchsten Berg von 3069 m, dem Piton des Neiges. Ein sog. Hot Spot hat La Reunion geschaffen und selbiges ist auch verantwortlich für die Entstehung von Mauritius sowie Rodrigues. Diese Maskarenen Inseln hat das Hot Spot hübsch der Reihe nach aus dem Meer gehoben, in Abständen von einigen Mio Jahren. Die älteste Insel Rodrigues ist durch Erosion daher schon recht flach geworden, Mauritius hält sich im Mittelfeld mit heutzutage maximaler Höhe von etwa 830 m, während die jüngste Insel La Reunion natürlich noch die Höchste ist, bis die Nächste entstehen wird. Durch die Plattenverschiebung wandern die Maskarenischen Inseln vom Hot Spot nach Osten weg und schaffen somit den Platz für eine neue Geburt. Für diesen Urlaub reichen uns aber - wie ich meine - bereits die beiden Inseln Mauritius und La Réunion.
Von Saint-Denis aus fahren wir rechts um die fast runde Insel herum, wenn auch nicht vollständig. Mehrfach geht's laut Programm dann von der Küste ins Inselinnere. So das erste Mal bei St. Andre, um den Ort Hell Bourg zu erreichen. Dieser liegt in dem Talkessel von Salazie, einem der drei großen Talkessel von La Reunion. Einem Bachlauf folgt die Straße in die wuchtig aufwachsenen Bergwände. Saftig grün und üppig wird die Vegetation unmittelbar bei Eintritt in diese Bergwelt. Von hoch herab stürzen sich die ersten Wasserfälle und mir wird klar, hier regnet es viel. Wolken ziehen an den Hängen entlang und verdecken dadurch große Teile des Talkessels. Die Straße windet sich jetzt stetig aufwärts, vorbei an einigen Häusern und Unmengen von sprießenden Bambusinseln. Das Örtchen Hell Bourg ist auf der Höhe erreicht. Der Kesselrand dürfte aber immer noch gut 1000 m über uns liegen. Das kleine Hotel ist schnell gefunden und man weiß tatsächlich von einem ankommenden Ehepaar aus Deutschland. Vorsuppe und Poulet gibt es zum Abendessen und das sollte auch so bleiben, bis mir am 4. Abend (schon im Talkessel von Cilaos) der Kragen platzt. Dann werde ich nämlich dasselbe Essen verlangen, das auch die Wirtsfamilie essen wird: es ist Fisch, nicht Huhn. Französische Küche wird bei Halbpension auf La Reunion offenbar gerne übergangen.
Durch herrlichen Sonnenschein werden wir geweckt. Zu unserer Freude ist auf der Veranda, mit wunderbarem Blick auf den nahen Piton des Neiges, das Frühstück aufgebaut. Bis zur Spitze wolkenfrei zeigt sich der höchste Berg von La Réunion mit seinen 3069 m. Der ganze Kessel von Salazie ist heute zu übersehen und ein Kessel ist es wirklich, da man nur an einer Stelle rein- und rauskommt. Also müssen wir die selbe Strecke wieder zurück, was uns bei der jetzt prächtigen Sicht auf die tropische, steile Bergwelt nicht schwer fällt. In Küstennähe geht es weiter südlich. Plaine des Palmistes ist das Ziel. Im Innern von La Reunion und recht hoch liegt auch dieser Ort. Auf den guten Straßen der Insel macht es Spaß zu fahren und in die Höhe zu kurven. Erstmalig sehen wir Leechibäume und so einige Früchte finden den Weg in unseren Magen. Viel los ist in den Ortschaften leider nicht. Sie sind aber sauber und angenehm; typisch afrikanisch sicherlich nicht, eher europäisch. Plaines des Palmiste auf ca. 1600 m Höhe ist schnell durchwandert. Im Hotel wartet bereits das abendliches Poulet auf uns, ebenso das große Zimmer mit dem gewaltigem, antiken Holzdoppelbett, dem christlichen Heiligenbild darüber und den Plumos.
Heute ist ein Märchen angesagt. Auf schmaler Straße fahren wir in ein Nebental hinein und dort immer höher hinauf. Üppiger wird die Vegetation, je weiter wir kommen. Die Wolkenregion ist bereits erreicht und Nebelfetzen werden durchfahren. Dicke Feuchtigkeit liegt in der Luft. Moose, Farne, Lianen, knorrige Bäume mit hängenden Bartflechten an den Ästen säumen den Weg. Irgendwann endet die Straße und nur ein schmaler Pfad ist noch zu sehen. Er führt weiter in ein Märchenreich. In eine Üppigkeit der Natur mit überschäumender Lebenskraft, Hunderttausenden von Blumen, Blüten, Pflanzen, Sträuchern, modernden oder sprießenden Bäumen, wie ich es noch nie gesehen habe. Staunend wandern wir in diese Welt hinein. Ein einziger Genuß, den man nicht beschreiben, nur erleben kann. Deshalb beschreibe ich ihn auch nicht. Nur ein paar Bilder sollen eine Ahnung von unserem Tag in diesem Märchen vermitteln. Dem Märchen La Réunion. - Erst gegen Abend fahren wir nach Plaines des Palmiste zurück und essen - offenbar noch unter dem Eindruck des Erlebten - sogar mit Appetit unser Poulet.
Nach gutem Frühstück verlassen wir endgültig Plaine des Palmistes und kurven weiter aufwärts in Richtung des noch aktiven Vulkans Piton de la Fournaise. Wir erreichen wieder mal die Wolken und tauchen in die Suppe ein. Die Sicht wird zwar besser, je höher wir kommen, doch der Nebel will einfach nicht völlig weichen. Der Parkplatz ist erreicht; von hier aus geht's zu Fuß zum Piton de la Fournaise weiter, wie die anderen Besucher zeigen. Kühl und windig ist es auf der Plaine in ca. 2300 m Höhe. Von einem nahen Seitenhügel kommen Leute herab, also gehen auch wir dorthin. Ein tiefer Krater tut sich unvermittelt vor uns auf. Faszinierend, in den Schlund hinab zu sehen, in dem sich gerade ein Regenbogen bildet. Fast senkrecht geht's hinunter, ein Gitter oder sonstwas gibt's hier dennoch nicht. Es ist aber nur ein kleiner, toter Seitenkrater, der Hauptkrater liegt etwa 30 Min entfernt. Über eine kahle, dunkle Lavaebene, die durch den Nebel geheimnisvoll und besonders düster wirkt, wandern wir hin. Sch..., nur schemenhaft ist überhaupt was zu erkennen. Offenbar stehen wir auf dem riesigen Kraterrand, denn vor uns liegt ein mindestens 30 m tiefer Abbruch. Unten verquirlte und erkaltete Lava, so weit man sehen kann. Ich meine, einen rötlichen Feuerschein im Nebel auszumachen. Das war's für uns vom Piton de la Fournaise, dem aktiven Vulkan auf La Reunion. Nochmals Sch ...
Wir fahren weiter. Der Talkessel von Cilaos, oder wie man hier sagt, der Cirque de Cilaos, wartet auf uns. Bis zur Westküste von La Reunion geht es jetzt immer bergab. Erst recht kräftig, dann aber gemächlich und meist auf geraden langen Strecken. Mehrere Ortschaften, u.a. Le Tampon wie ich mir gut merken konnte, werden durchfahren, ansonsten Kulturland links und rechts. Nahe der Küste, so steht im Programm, in Richtung Saint Denis und beim Straßenschild nach Cilaos abbiegen. Ein grandioses Canyon verschluckt unseren kleinen Corsa; rechts der Straße 15 m tiefer der tosende Bach, links senkrechte Felswand bis in den Himmel. Noch eine spitze Kurve und der Cirque de Cilaos öffnet sich. Ein Stop ist hier zwingend, der Parkplatz griffbereit.
Berge türmen sich im Kessel auf und die Seitenwände ragen in fast schwarze, drohende Wolken hinein. Ein toller Anblick. Hoch oben, unter einer markanten Felsnadel - wir haben sie den Finger Gottes getauft - ist noch als feiner Strich die Straße zu erkennen. Und da müssen wir hinauf. Kurve um Kurve geht's nach oben. Der Finger Gottes liegt schon längst unter uns, aber immer weiter geht es auf der gut ausgebauten Straße bergauf. Eine phantastische Stimmung herrscht im engen Kessel durch die rund um hängenden, schwarzen-grauen Wolken und vor ihnen dahinziehende weiße, quellende Wolkengebilde. Mal geben sie den Blick nach dieser, mal nach jener Seite frei oder öffnen kurzzeitig ein Fenster auf steile Felswände und schroffe Gipfel.
Eine kleine Ortschaft mit dem Namen Palmiste-Rouge zeigt sich jetzt rechts am düsteren Hang und auf der anderen Seite taucht im grau-weißen Wolkengewaber unser Ziel, das Städchen Cilaos in der Höhe auf. Die Sonne bricht sogar durch und bescheint das mit rot-violetter Blütenpracht verzierte Thermalhotel 'Thermes-Hotel ', unser Quartier in Cilaos. Ein hoch herrschaftliches Haus, das jedoch schon bessere Zeiten gesehen hat. Auf der Veranda vor dem Zimmer genießen wir als erstes unseren obligatorischen Schluck aus der Pulle Osborne sowie den Blick auf die halb in Wolken eingehüllten Häuser und die nahe Kirche von Cilaos. Zwei wichtige Dinge gibt's - neben der grandiosen Lage - in Cilaos. Die Thermen und den Weinanbau. Es ist vorzüglicher Wein, den wir abends in einer netten, persönlichen Kneipe zu trinken bekommen und in der es sich die Wirtsleute nicht nehmen lassen, uns diesen und jenen, roten und weißen Wein zum Kosten zu geben. Zwei Flaschen werden wir sogar mit nach Hause bringen. Was das heutige Poulet anbetrifft, ist ja oben bereits geschildert. In Chilaos wird es zu Fisch.
Ein nettes Kurörtchen ist Cilaos, das seinen Namen von dem Anführer einer Bande entlaufener Sklaven ableitet, die sich im damals fast unzugänglichen Cirque de Cilaos versteckt hielten. Erst durch den äußerst schwierigen Bau der Straße wurde dieser Kessel 1895 erschlossen und die Thermen aktuell. Herrliche Wege zum Spazieren und Wandern wurden im Umfeld von Cilaos für die Gäste angelegt, auf denen jetzt Gabi und ich die Natur und die Blicke genießen. Aber auch andere sind unterwegs und man kommt ins Gespräch. Wir z.B. mit einem älteren Ehepaar aus Kiel und erfahren so in La Reunion, dass sie einen Arbeitskollegen von mir bestens kennen. Bei schönstem Sonnenschein nehmen wir am Nachmittag von Chilaos Abschied und fahren die vielen Serpentinen im Kessel von Cilaos diesmal nach unten und dann aus der Schlucht wieder heraus bis zum tiefblauen Meer.
Das Novotel von St. Gilles nimmt uns für die nächsten zwei Nächte auf. Es liegt an einem der wenigen Strände von La Reunion. Mit Wohlgefallen lese ich im Zimmer, dass für heute Abend ein Buffet gerichtet wird; und das kann nicht nur aus Poulet bestehen. Auf der Terrasse wird das Mahl eingenommen. Mein Teller bleibt absolut pouletfrei. Beim späteren Bier setzt sich ein französisches Ehepaar zu uns, das sich gerne anderen mitteilen möchte. Leider sprechen sie weder Deutsch noch Englisch, so dass ich Ärmster für den restlichen Abend in die Schulzeit zum Französischunterricht zurück muß.
Am Strand ist nach unserem Frühstück schon ordentlich was los. Viele Einheimische sind mit ihren Autos her gekommen und verstopfen jetzt den Weg zwischen Hotel und Meer. Wir wollen heute hoch hinaus, auf über 2000 m. Durch Felder und kleine Ortschaften fährt unser Wagen stetig bergauf. Die Wolken liegen schon weit unter uns, als wir den Corsa stehen lassen und das letzte Stück bis zum Kamm unter die Füße nehmen. Allein sind wir hier oben und haben herrlichen Blick hinunter zum blauen Meer und den weißen Wolkenbänken darüber. Ein Weg führt ohne große Steigung auf den höchsten Punkt. Gemütlich wandern wir hin. Vom Inselinneren ist absolut nichts zu sehen. Eine Wolkenfront steht auf dieser Seite. Sie beginnt fast neben uns.
Wie wir feststellen, bricht der Berg hier unmittelbar senkrecht in die Tiefe ab; das Ende ist nicht zu sehen, alles verschwimmt im Wolkengewaber. Einige Wolkenfahnen ziehen herauf und an uns vorbei in die Höhe. Vom Abgrund trete ich doch lieber etwas zurück. Die Wolken verschieben sich und geben für ein paar Augenblicke ein Fenster nach unten bis auf den Grund frei. Wenige Häuser, Wälder und Felder werden tief, tief unter uns sichtbar. Ich weiche erschrocken noch weiter zurück, denn diese Tiefe hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Die Wolken ziehen wieder zu und öffnen jetzt an anderer Stelle - fast auf gleicher Höhe wie wir - einen kurzen Blick auf die gegenüber liegende Seite des Kesselrandes. Hier ist also Kessel No 3 von La Reunion; er nennt sich Cirque de Mafate. Unten werden wir ihn leider nicht besuchen, denn schon Morgen geht unser Flieger nach Mauritius. Im übrigen wäre der Cirque de Mafate auch nicht mit dem Auto zu erreichen. Man kommt nur zu Fuß hinein. Eine Zeitlang bleiben wir an dieser höchsten Stelle und schauen dem Treiben der Wolken zu, immer in der Hoffnung, noch mehr vom Cirque de Mafate zu sehen. Sehr viel wird es aber nicht. Irgendwann wandern wir zu Auto zurück und fahren nach St. Gilles und zum Strand hinunter.
Am recht schönen Strand von St. Gilles halten wir uns fast bis zum Sonnenuntergang auf und lassen dabei die erlebte Woche auf La Reunion nochmals Revue passieren. Eine wunderschöne Landschaft und Natur, die ihresgleichen sucht. Bequem und einfach - gerade auch allein - zu bereisen und bei einem Inselumfang von nur ca. 200 km gut überschaubar. Sicher haben wir uns auf La Reunion gefühlt, selbst im dichtesten Urwald, unserer Märchenwelt. Die Menschen waren freundlich, gleich ob weiß, farbig, indisch, schwarz oder schlitzäugig, denn alles ist hier anzutreffen. Auch unsere kleinen Hotels waren sauber und machten einen guten Eindruck; das Poulet will ich ihnen verzeihen. Nun, das Wetter hätte ja am Vulkan Piton de la Fournaise schon besser sein können und einen tollen Blick hinab in den Cirque de Mafate hätte ich mir ebenfalls gewünscht. Dann hätten wir allerdings nicht im November reisen dürfen, denn die beste Reisezeit für La Reunion und Mauritius ist nun mal von Mai bis Oktober, also dem südlichen 'Winter' im subtropischen Bereich.
Wir beenden unsere Rundreise durch La Reunion wieder in Saint Denis, der Hauptstadt. Über Hügel und durch Felder von Zuckerrohr, meist mit Blick auf das blaue Meer, kommen wir dort hin. Eine verfallende Rumfabrik schauen wir uns unterwegs an und natürlich wollen wir auch noch ein bißchen in Saint Denis durch die Straßen schlendern. Man merkt der Stadt an, dass sie sich französisch geben will mit den zwei, drei kleinen Avenuen und den teils recht schmucken, altertümlichen Häusern sowie guten Geschäften an ihnen. Vor allem die Jugend scheint sich im Zentrum fast wie im 10.000 km entfernten Paris zu fühlen, gibt sich lässig, modebewußt und modern, jedenfalls nicht so, wie man am Arsch der Welt erwarten könnte. Am späten Nachmittag hebt der Flieger in St. Denis ab und nimmt Kurs auf die Insel Mauritius.
Ende des Reiseberichts über die Insel La Réunion
Fortsetzung: Mauritius