Richtige Wüste haben Gabi und ich ja schon einige Male kennen und schätzen gelernt. Das Gegenteil, der tropische Urwald, ist bislang von uns aber recht stiefmütterlich behandelt worden. Lediglich am Rio Napo in Ecuador hatte ich schon etwas Urwaldluft geschnuppert, jedoch auf recht bequeme Art. Die grüne Hölle so richtig erleben und ein paar Tage drin zu hausen, das muß mal sein. Eine passende Tour findet sich in den Prospekten über Malaysia. Ein Trekking im Urwald des Taman Negara NP und mit Booten zu den ehemaligen Kopfjägern im tiefsten Busch der Insel Borneo. Das iss's !
Nonstop geht unser Flug von Frankfurt nach Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysia. Gleich am Flughafen ist Gabi's und meine Freude groß, sind wir doch mit Abstand die Jüngsten der Gruppe von 7 Personen. Und wenn das korpulente Pärchen den geplanten Urwaldtreck im Taman Negara Nationalpark überlebt, dann wir sicher auch. Kuala Lumpur ist eine saubere und angenehme Stadt mit ca. 1 Mio Einwohnern (Stand 1999) und damit auch die Größte von ganz Malaysia. Das Land Malaysia ist quasi zweigeteilt, ein Teil liegt auf dem Festland von Asien, der andere auf der Insel Borneo oder wie man heute oft sagt Kalimantan. Zusammen haben sie etwa die Fläche von Deutschland. Modern und historisch zeigt sich Kuala Lumpur, das erst um 1850 von Zinnsuchern gegründet worden ist. Uns ziehts jedoch hauptsächlich auf die Märkte von Kuala Lumpur, die alles zu bieten haben, vor allem billigste - aber keineswegs schlechte - Imitate von Uhren und Klamotten der Nobelmarken. Unsere Reiseleiterin ist Alexandra, eine Chinesin, mit großem und feinem Appetit, so dass wir uns um das Essen absolut keine Sorgen machen müssen. Chinesen gibt es in Malaysia übrigens reichlich, nämlich ca 1/3 der gesamten Bevölkerung, die etwa 16 Millionen Menschen beträgt. Malaien und Inder sind die anderen großen Volksgruppen.
Ein Besuch der riesigen Batu Höhlen ganz in der Nähe von Kuala Lumpur ist natürlich auch für uns ein Muß. Viele Stufen sind hier erst mal zu überwinden, um in die gewaltige Tempelhöhle zu gelangen. Schade nur, dass das Hindu Festival Thaipusam erst Ende Januar gefeiert wird. - Die Fahrt zum 4000 qkm großen Taman Negara Nationalpark steht heute auf dem Programm. Der Bus schaukelt uns auf guter Straße tief in die malaiische Halbinsel hinein. Sehr bergig und grün ist das Land. Ab dem Ort Maran geht die Fahrt in nördliche Richtung bis nach Jerantut, der Endstation für jeden Bus. Wer weiter will, dem bleibt nur ein Umsteigen auf Boote. Und da wir weiter wollen, steigen wir denn auch - nach einem kurzen Rundgang in Jerantut - in die mit Planen bedachten Boote auf dem Tembeling Fluss um.
Mit hoher Geschwindigkeit rauschen die Boote los, immer flussauf. Braun ist das Wasser, da die hohen Uferböschungen aus Erdreich bestehen und stetig vom Fluss angeknappert werden. Nach 2 Stunden sind nur noch selten Felder am Ufer auszumachen. Urwald, üppiges, grünes Buschwerk, überragt von hohen und höchsten Bäumen säumen jetzt den Tembeling. Wohltuend der Fahrtwind, der uns auf den nach allen Seiten offenen Booten umgibt, denn die Sonne ist heiß und die Luftfeuchtigkeit nimmt zu. Bergig wird die Umgebung und nach etwa 4 Stunden tauchen hoch über dem Fluss im Busch einige Häuser auf. Das erste Ziel im Taman Negara NP ist erreicht; es ist die einzige Lodge weit und breit.
Fast eine Woche werden wir hier im Urwald des Taman Negara NP verbringen. Heiß und feuchtschwül ist es und der Schweiß rinnt, obgleich wir noch keinen einzigen Schritt in dieser grünen Hölle gemacht haben. Auf dem Weg zum Zimmer schlängelt sich zur Eingewöhnung auch noch eine lange, dafür aber besonders dünne Schlange seitlich ins Gebüsch. Das Geschnalze im Schlafgemach freut uns hingegen; ist doch ein Moskitos fressender Gecko bei uns. Eine Höhlenbesichtigung mit Fledermäusen drin füllt den Vormittag aus und die erste Bekanntschaft mit Blutegeln. Man merkt die Egel nicht und diese Viecher schlüpfen überall durch. Sie sitzen einem sowohl auf dem Bauch als auch in den fest zugeschnürten Schuhen - wenn auch platt. Nur in der Sonne ist man vor ihnen gefeit, ansonsten greifen sie an, wo immer sie Blut riechen. Nach Entdeckung meines ersten Blutsaugers am Bein bekomme ich vor Ekel gleich mal ein Herpes an der Lippe. Nachmittags noch eine gemütliche Bootsfahrt durch dichten Dschungel und dann eine letzte Nacht in der Lodge. Die nächsten 4 Nächte werden dem Zelt im feuchtheißen Busch und den Moskitos gehören. Denn weitere Schlangen oder Tiger, Elefanten, Nashörner - es soll sie alle im Taman Negara geben - haben wir nicht zu Gesicht bekommen :-)
Wir lassen die Lodge hinter uns und mit zwei flachen Booten sowie starken Außenbordmotoren rauschen wir weiter den Tembeling aufwärts. Urwald links und rechts; ab und an einige Hütten und kleine Felder auf der Uferböschung. Hier wohnt die Urbevölkerung, die man Orang Asli nennt. Um die 50.000 Orang Asli soll es noch geben. Eine Rast wird zwischendurch mal eingelegt und weiter geht's bis gegen Abend. An einer kleinen Siedlung der Orang Asli ist für heute Schluß und wir bauen die Zelte auf. Eine Art Kneipe gibt es hier sogar, doch es ist absolut tote Hose darin. Gott sei Dank haben Gabi und ich aber unsere Pulle Osborne dabei und wir genehmigen uns einen kräftigen Schluck im nicht einsehbaren Zelt. Wenn wir sie schon über die Windigen Berge des Tamannegara schleppen, wollen wir den Inhalt auch allein genießen. Dieter hatte übrigens denselben Gedanken, wie sich irgendwann herausstellen sollte. 2 Stunden Bootsfahrt stehen heute noch an, zunächst bei herrlichem, lichtem Morgennebel bis die Sonne durchbricht. Eine Sandbank ist Endstation und die Boote fahren ohne uns den Tembeling zurück. Der Führer und drei Träger wollen mit der Gruppe den Taman Negara Urwald, den ältesten Urwald der Welt wie es heißt, bezwingen.
Alle eigenen Sachen inklusive das Zelt müssen wir selbst schleppen, die Träger sind nur für den Allgemeinbedarf zuständig. Einen Teil der Klamotten haben Gabi und ich deshalb schon in Kuala Lumpur gelassen und nur Weniges in den Rucksack gepackt. Unser korpulentes Ehepaar hat sich offenbar nur schwer von Sachen trennen können, denn 2 volle Rücksäcke werden geschultert und die Phototasche dazu; allein Letztere schwerer als meine ganze Habe mit Pocketkamera. Na, viel Vergnügen. Dicke Lederhandschuhe, wegen der Stacheln im Urwald, werden übergestreift und los geht die Tour. Der Schweiß strömt, genau so wie das Flüsschen, an dem wir hier entlang wandern. Mal hoch drüber, mal unten am Ufer entlang.
Üppigstes Grün umgibt uns und wir staunen über die Vielfalt der Natur. Noch ist ein kleiner Pfad auszumachen, dem wir folgen. Klatschnass ist mittlerweile wirklich alles auf dem Körper; meine Begeisterung, endlich mal Urwald pur zu erleben, schmälert es jedoch nicht. Das Flüßchen muß durchquert werden und bis unter die Arme stehe ich dabei im Wasser. Erika und Bartel mit hoch erhobener Phototasche folgen mir vorsichtig. Erika kreischt auf; sie hat keinen Boden mehr und schwimmt durch die Luft im Rucksack getragen. Meine Hand rettet sie. Bartel tappt daneben, die Kamera und Phototasche verschwinden im braunen Wasser, der Rucksack ebenfalls. Das Fluchen von Bartel werden wir noch öfter hören, denn ab jetzt trägt er schweren Müll mit sich herum. Die Kamera hat den Geist aufgegeben und wird erst wieder in Kualalumpur einen Klick sagen. Er kann sich aber trösten, denn auch die anderen Kameras geben nach und nach den Geist in der Feuchtigkeit auf. Allein meine kleine Pocket macht klick, wann immer ich es möchte
Wir tappen durch die grüne Hölle, die mal offener, mal dichter und mal ganz zugewachsen ist. Wir folgen dem kaum mehr sichtbaren Pfad oder der Schneise der Träger, übersteigen verrottete Baumstämme, krabbeln drunter durch oder müssen um quer liegende Urwaldriesen herum. Ameisen fallen vom Baum und schon wieder hab ich eine Mücke und dann noch eine erwischt. Bedenken wegen Schlangen oder sonstigem Viehzeug kommen eigentlich nicht auf, was mich doch etwas verwundert. Eine kleine Farnlichtung wird als Nachtplatz auserkoren und die Zelte werden aufgebaut. Bis zum Abendessen geht jeder seiner Beschäftigung nach: Bartel flucht und reinigt an seiner Kamera, Dieter schaut nach Pflanzen und Orchideen, die ihn als Gärtner besonders interessieren, die drei Damen sind mit Karl am Waschen ihrer dreckigen Klamotten und ich erkunde die nähere Umgebung. In der Nacht schüttet es von Himmel und es wäre sicher ganz gemütlich im Zelt, wenn man es etwas offen lassen dürfte. So haben wir zwar kein Viehzeug drin - bis auf eine Mücke - aber es ist stickig feucht-heiß.
Heute geht es über die Windigen Berge des Taman Negara. Immer höher geht es hinauf. Der Urwald wird lichter. Dennoch hat Karl Probleme, wie wir so beiläufig bemerken. Und zwar in seiner Hose. Dummerweise hat er gestern seinen gewendeten Schlüpfer zum Trocknen auf einen Busch gelegt, dem feinste Härchen mit Widerhaken eigen sind. Nach erneuter Wendung des Schlüpfers ist Karl noch gestern Abend in selbigen hinein gestiegen und hatte nun den Salat an den empfindlichsten Gliedern und im Schritt. Mit Lesebrille und Stirnlampe soll Christa die halbe Nacht im Zelt gezupft haben, ohne jedoch vollen Erfolg zu erzielen. - Stunden sind wir jetzt schon unterwegs, aber nur unsere Begeisterung ist abgekühlt. Bartel hat eine graue Gesichtsfarbe bekommen und sein schwerer Rucksack ist an beiden Seitennähten sauber und gleichmäßig aufgerissen und nach hinten weg geklappt. Ohne meinen Gürtel laufe ich weiter, da Bartels Rucksack nun mal irgend einen Halt braucht.
Bartel und Erika laufen jetzt als Letzte über die Windigen Berge. Immer wieder schaue ich mal zurück nach ihnen, um Verbindung zu halten. Und dann sind sie verschwunden. Ich rufe nach vorne und eile bergauf zurück. Die Beiden sind geradeaus weiter gelaufen, wie ich mir fast schon gedacht habe, statt abwärts nach rechts zu gehen. Sie laufen nur noch mechanisch und sind fix und fertig, als ich sie erreiche. Was aber wäre gewesen, wenn ..? Wir alle sind erschlagen, doch der steile Berg nach unten hört nicht auf. Von Busch zu Busch müssen wir uns jetzt hinab hangeln. Christa fällt hin, liegt wie ein Käfer auf dem Rücken und schafft es alleine nicht mehr hoch. Ich friere mittlerweile im Urwald vor Erschöpfung. Auch Gabi will und kann kaum mehr. Unter uns taucht an einem Wasserfall endlich das Lager auf. Das Zelt schnell aufbauen und hinein legen ist nur noch unser Gedanke. Bis mir die Pulle Osborne einfällt. Ein kräftiger Zug wird genommen. Ein heißes Nudelsüppchen wird zudem gereicht und allmählich erwachen die Lebensgeister wieder.
Noch 1 1/2 Tage sind wir im Busch, dann erreicht uns die Zivilisation in Form einer Waldrodung, die so komplett ist, dass wir durch reine Wüste laufen. Mein Trost: Hier gibt's jedenfalls keine Blutegel mehr. In dem Ort Madang ist Endstation unserer Urwalderfahrung im Taman Negara Nationalpark. Eine letzte Übernachtung im Zelt und der Bus bringt uns an die Ostküste von Malaysia. Entspannung, Erholung unter Palmen am Meer steht auf dem Programm. Die Städte Kota Terengganu und ganz im Norden von Malaysia Kota Baharu oder Kota Bharu werden besucht, da das Wetter leider nicht so toll ist, um am Strand zu liegen. Über Chaterang und Kuantang - ebenfalls an der Ostküste - geht die Fahrt zurück nach Kuala Lumpur. Die riesige, exotische Insel Borneo wartet schon sehnsüchtig auf uns.
Das selbe Hotel und auch die hier deponierten Klamotten erwarten die Gruppe in Kuala Lumpur wieder. Alexandra, die uns den Urwaldtripp alleine hat machen lassen, will zur Wiedergutmachung heute ganz Besonders bieten und lädt zu einem vorzüglichen, malaysischen Essen am Abend ein. An großem, rundem Tisch nehmen wir - wie üblich in Malaysia - Platz und dann wird aufgefahren. Tausend Tellerchen und immer wieder neue, gefüllte Platten kommen auf den Tisch. China läßt grüßen, auch wenn ich alsbald die Eßstäbchen mit normalem Besteck tausche. Ich komm mit den Dingern einfach nicht klar und hab auch keine Lust, jedes Reiskorn einzeln zu essen. Bis oben hin gefüllt wird anschließend noch ein Spaziergang über einen der Märkte gemacht und Alexandra - an den Garküchen und Erdnußständen wieder in ihrem Element - erklärt dies und das und wie alles so schmeckt.
Schon nach einer Stunde Flug von Kuala Lumpur aus, ist die Insel Borneo unter uns zu sehen. Für mich ein tolles Gefühl, dieses exotische und geheimnisvolle Eiland direkt unter dem Äquator jetzt mit eigenen Augen kennen zu lernen. Flüsse und Urwald ziehen während des Sinkflugs unten vorbei. Wir landen in Kuching, der Hauptstadt von Sarawak. Borneo, in Indonesien Kalimantan genannt, ist eine gewaltige Insel, nach Grönland und Neu-Guinea die drittgrößte der Welt. Der kleinere und nördliche Teil gehört - mit Ausnahme des Ministaates Brunei - zu Malaysia, der andere zu Indonesien. Leider werden, wie in vielen Tropenländern, auch auf Borneo die Urwälder ständig weiter abgeholzt. Gar so radikal wie ich es auf der Nachbarinsel Celebes, heute meist Sulawesi genannt, gesehen habe, ist es aber noch nicht.
Kuching ist schon eine recht große Stadt mit ca. 400000 Einwohnern und liegt etwas landeinwärts. Die Häuser sind meist niedrig gehalten, gleich ob neu oder alt. Einige wirklich schöne, alte Straßenzüge mit blauem, rotem oder grünem Anstrich der Häuschen gibt es zu besichtigen. Auf dem Markt ist natürlich auch einiges los. Ich staune mal wieder, dass es immer neue Früchte gibt, die ich noch niemals gesehen habe. Alexandra sorgt jeweils für eine kleine Eßprobe. Auch die Durianfrucht läßt sie uns probieren; sie schmeckt - ganz im Gegensatz zu ihrem Geruch - angenehm. Eigentlich ist es aber kein Geruch, sondern ein Gestank ohne gleichen, den sie verbreiten kann. Ein etwas älteres Exemplar sollten wir noch in Sabah erleben, das der dortige Co-Reiseleiter in unserem Bus für sich verstaut hatte. Er war sich keiner Schuld bewußt. Hoch interessant ist der Besuch des Völkerkundemuseums in Kuching. Aus allen Ecken von Sarawak gibt es Ausstellungsstücke von Waffen, Kleidung, Schmuck etc., aber auch alte Photographien von Häuptlingen, deren Ehefrauen, von Kriegern sowie Darstellungen der Lebensweise einzelner Volksstämme.
Die meisten Reisegruppen bleiben hier in der Nähe von Kuching, um den ehemaligen Kopfjägern einen Besuch abzustatten. Es ist bequem, geht schnell und die Kopfjäger im Langhaus wissen schon genau, was ein Tourist gerne sehen will, bevor er wieder in sein klimatisiertes Hotel oder Kreuzfahrtschiff zurück kehrt. 2 Übernachtungen sind für Kuching eingeplant, so dass auch Zeit bleibt, die breiten Straßen sowie die Promenade am Sarawak River abzuwandern und sich zu wundern, wie sauber diese Stadt doch ist. Morgens werden wir zur Anlegestelle am Sarawak Fluss gebracht, um per Schiff übers Meer nach Sibu zu gelangen. Primär Einheimische warten schon am Pier. Auch das Schiff schaukelt bereits auf dem braunen Wasser. Von wegen ein Seelenverkäufer; es ist ein Schnellboot in Form des Rumpfes eines Flugzeugs und drin sitzt sichs genau wie im Flieger. Ich dummerweise in der hintersten Ecke eingeklemmt, jedoch an einer Luke. Unser Flieger nimmt Fahrt auf und rauscht los. Draußen zieht die hohe, erdene Uferböschung schnell vorbei. Nach etwa 30 km wird das Meer erreicht und hier kommt das Schiff erst richtig auf Tour.
Auf Borneo hätte ich solche Hightech nun wirklich nicht erwartet. Eine starke Dünung herrscht draußen, der Himmel wird stetig schwärzer, wie ich wunderbar erkennen kann. Blitze zucken aus den Wolken. Immer kleiner werde ich in meiner Ecke und denke: wenn was passiert, von hier hinten komme ich nicht mehr raus. Gute 4 Stunden sind wir schon unterwegs bis ich endlich flaches Ufer sehe, das an uns vorbei rauscht. Es muß der Rajang River sein, auf dem wir jetzt fahren. Immer mehr Schiffe tauchen auf. Nach einer halben Stunde wird der Motor leiser und erstirbt dann ganz. Sibu, die wichtigste Stadt am Rajang, ist erreicht. Ich fühl mich wieder wohler. Sehr breit ist der Rajan bei Sibu und viele Schiffe, aber auch geschälte Baumstämme schaukeln auf ihm. Gleich am Hafen empfängt uns das markanteste Gebäude von ganz Sibu; es ist eine vielstöckige, rote, chinesische Pagode. Drin bietet sie zwar nicht viel, doch man kann hinauf steigen und von oben auf die Stadt, den Hafen, den Rajang und bis weit ins flache Hinterland sehen. Unten ist eigentlich nur das Hafengebiet anzuschauen und deshalb sitzen wir auch hier, trinken vor einem Restaurant unseren Tee und schauen halt, was sich so um uns herum abspielt. Wie in Kuching, das Völkergemisch ist ähnlich: Chinesen, Malayen sowie die vielen Stämme aus Sarawak.
Früh am Morgen müssen wir wieder am Hafen sein, denn heute geht die Fahrt den Rajang hinauf bis nach Kapit. Ein ähnliches, aber längeres Schiff als gestern nimmt unsere Gruppe und viele hiesige Passagiere auf. Alle Plätze im Flieger sind belegt, viel Gepäck an Deck verstaut, als der Motor zu brummen anfängt. Ich staune erneut, mit welcher Geschwindigkeit wir durch Borneo rauschen; es sind sicher 50 - 60 km/h, die das Schiff vorlegt. Zu meiner Freude sehe ich, dass man hier sogar an Deck gehen kann, was ich denn auch umgehend mache. Der Fahrtwind haut mich fast um beim öffnen der Türe. An der Reling hangele ich mich nach hinten, denn nur ganz am Ende gibt es eine Sitzmöglichkeit - die einzige - an Deck. Mit dem Rücken zum zerrenden Fahrtwind, der übergezogenen Windjacke, festgeklammert an der Reling und dem Blick nach hinten habe ich jetzt mein Plätzchen gefunden, um der Insel Kalimantan näher zu treten.
Flach ist das Land, durch das wir auf dem Rajang River rauschen. Ab und zu ist eine kleine Ortschaft am Ufer zu sehen und zwei Mal wird sogar angelegt. Einige steigen aus, andere steigen zu. Aber alle haben gewaltiges Gepäck dabei, denn allzu oft machen die Einheimischen sicher nicht solche weiten Fahrten. In früheren Zeiten mußte man auf solch einer Reise zudem um seinen Kopf bangen. Noch im 19. Jh. war die Kopfjagd gang und gebe. Erst die Weißen Rajas von Sarawak versuchten diese Unsitte einzudämmen. Es waren tatsächlich Weiße, die hier eine Dynastie gründeten. Der englische Abenteurer James Brook hatte 1835 erfolgreich dem Sultan von Brunei bei der Niederschlagung eines Aufstandes in Sarawak geholfen und bekam als Dank den vererblichen Titel Raja und Macht über Sarawak. In Kuching ist noch heute ein Palast von James Brook zu bewundern.
Allmählich wird die Umgebung etwas hügliger und die Felder weichen mehr und mehr dem Urwald oder Busch von Sarawak. Saftig grün werden die meist steilen, erodierenden Ufer des Rajang. Der Verkehr auf dem Fluss wird geringer, je weiter wir ihn hoch fahren. Alte Kähne ziehen vorbei und natürlich riesige Holzflöße aus dem tiefen Sarawak mit bis zu 200 abgeholzten Urwaldriesen. Einige Stämme haben sich aber auch selbständig gemacht und treiben den Rajang hinunter. Nicht ganz ungefährlich für die Schiffe, wenn es zu einer Kollision kommt. Unser Expressboot wurde extrem mit Eisenplatten am Bug verstärkt und so hört man nur ab und zu ein heftiges Krachen aus dem vorderen Teil, wenn es Zusammenstöße gibt. Erste Langhäuser der Ibans tauchen unmittelbar am Fluss auf. Noch nie habe ich welche gesehen; es gibt sie wohl auch nur auf Borneo. Auf Stelzen stehen diese Häuser und sie sind keineswegs homogen in der ganzen Länge gebaut. Je nach Notwendigkeit kommt ein neues Stück hinzu.
So gestückelt sieht ein Langhaus denn auch in seiner unterschiedlichen Form, Farbe und dem Blech- Holzmaterial aus. Lediglich die Höhe des Fußbodens, des Daches mit Neigungswinkel sind offenbar einzuhalten. Ein ganzes Dorf lebt auf diese Art und Weise recht praktisch unter einem Dach. Wird geheiratet, kann das Paar je nach Lust und Laune bei seinen oder ihren Eltern wohnen oder verlängert einfach das Langhaus. In Zeiten der Kopfjägerei bot so ein Haus natürlich besten Schutz vor Überfällen, zumal bei hohen Stelzen, die erst mal vom Feind zu überwinden waren. 5 - 6 m Höhe können solche Stelzen durchaus haben. Aber auch das Viehzeug wie Skorpione, Schlangen etc. wird vom Haus abgehalten und bei heftigen Regengüssen sowie Überschwemmungen der Flüsse - keine Seltenheit in Sarawak - bleiben die Füße der Bewohner hübsch trocken. Unser erstes Langhaus beim Ort Kapit liegt jedoch dummerweise jenseits eines Baches, so dass wir uns doch nasse Füße holen bevor wir die Treppe zum etwa 5 m über dem Erdboden stehenden Langhaus hinauf steigen können.
Hier ein Bild aus dem Inneren eines Langhauses der Dayaks. So ähnlich sieht es aber in allen dieser Langhäuser aus, mal neueren, mal älteren Datums. Dies allerdings ist besonders neu und mit bester Ausstattung. Die tiefer im Urwald liegenden sind meist grober und weit weniger akkurat gefertigt. Beherrschend ist stets ein langer Gang, auf dem sich das öffentliche Leben der Dorfgemeinschaft abspielt. Hier sitzt man, hier klönt man, hier springen die Kinder und hier schlafen in aller Öffentlichkeit Touristen wie wir. Auf der Außenseite des Hauses (links) erhellen Fenster mit Läden oder auch eine Art Balustrade die überdachte Dorfstraße; diese Front ist meist zugleich die Flussseite und hier sind auch die Eingänge ins Langhaus. Die andere (Innen-)Seite der Dorfstraße führt in die einzelnen, neben einander und separat liegenden Wohnungen der Familien. Jedenfalls die Wohnung des Häuptlings, in der wir speisen dürfen, ist sehr geräumig, wenn auch - aus meiner Sicht - nicht gerade gemütlich. Da das Langhaus auf Stelzen steht, ist drunter reichlich Platz für den Abfall, das was aus dem Klo runter fällt und das was sonst noch runter geworfen wird. Die Schweine und Hühner danken es
In Sarawak haben sich die Eingeborenenstämme nicht nur die Köpfe abgeschlagen, sie mußten schließlich auch Sorge dafür tragen, dass immer ausreichend Nachwuchs zur Verfügung stand. Und wie fanden - und finden auch heute noch - die Geschlechter im Langhaus eigentlich zueinander, ist meine Frage an den Reiseleiter. Wir jedenfalls haben es mit dem Nächtigen auf der Hauptstraße im Langhaus offenbar ganz falsch gemacht. Ein Öllämpchen ist die Lösung des Rätsels, das die junge oder auch ältere unverheiratete Ibanfrau vor die Türe stellen muß. Nur dann weiß ein zufällig vorbei kommender Ibanmann, dass hier die Sehnsucht wohnt und er zwecks der Liebe auch eintreten darf. Es dürfen im Langhaus durchaus mehrere hinter einander die Öllämpchenbesitzerin besuchen. Wird die Dame nun allerdings mal schwanger, ist Holland in Not. Denn der letzte Besucher gilt im Langhaus als der Vater des Kindes und wird dazu gedrängt, das Mädchen zu ehelichen. Weigert er sich aber standhaft, dann wird das Kind in die Familie der Mutter aufgenommen und das Spiel mit dem Öllämpchen geht von vorne los
Diese abgeschlagenen Schädel baumeln noch heute auf der Hauptstraße im Langhaus der Ibans. Kein so toller Anblick über unserem Nachtlager, auch wenn wir keine Bedenken haben müssen, dass unsere Köpfe dort ebenfalls mal hängen könnten. Die heutigen Damen der Ibans, Kayans und Dayaks haben sich nämlich bereit erklärt, auf ihr allerschönstes Geschenk als Voraussetzung für die Gewährung von Liebe und Ehe zu verzichten. Ein ehrenwerter Charakterzug, den man den Borneofrauen bescheinigen muß. Brauchen sie doch jetzt auch keine Bedenken mehr zu haben, daß der eigene Gatte beim Anblick einer fremden, hübschen Iban, Dayak oder sogar Kayan Frau gleich seinen Kopf verliert. - Mutig spaziere ich denn vor dem Schlafengehen noch ein bißchen im Langhaus herum und halte nach Öllämpchen und hübschen Ibanfrauen Ausschau. Eine ganze Gruppe sitzt am Ende des Gangs, klönt dort - wie es auf der Welt nun mal Sitte ist - und lädt mich freundlicherweise zum Mitklönen ein, bis Gabi mich samt Kopf sicherheitshalber ins Schlafgemach - ca. 100 Meter weiter auf selbiger Straße - zurückholt. Verstanden habe ich übrigens kein Wort.
Freundlich werden wir in allen Langhäusern begrüßt und aufgenommen. Zu keiner Zeit habe ich den Eindruck, dass mein Kopf alte Sehnsüchte bei den Dajaks, Ibans oder Kajans wecken würde. Die Moderne hat eben auch im tiefen Sarawak schon Einzug gehalten. Lange geschlitzte Ohren sind bei der weiblichen Jugend out, die Tätowierung bei Mann und Frau gleichfalls, wobei letzteres sicher verfrüht war, wie heutzutage die westliche Jugend vormacht. Viele Touristen verirren sich bis hinter Belage aber nicht, so dass wir als Exoten stets die volle Aufmerksamkeit des Langhauses haben. Natürlich wird erwartet, dass der Gast sich auch erkenntlich zeigt und z.B. Blusen, Shirts, Bonbons usw. überreicht. Wohlhabend sind die Stämme in Sarawak wirklich nicht, hungern braucht deshalb jedoch keiner.
Viel zu schnell ist der Besuch bei diesen interessanten Nachkommen der Kopfjäger vorbei. Das kleinere Expressboot bis Belaga nimmt uns wieder auf. Für einen kurzen Rundgang durch Belaga, das einem alten Westernstädtchen gleicht, reicht gerade noch die Zeit. Dann donnert der große Flieger mit uns den Rajang über Kapit nach Sibu zurück. Ich nehme meinen Platz draußen am Heck wieder ein und sehe die am Ufer stehenden Langhäuser jetzt mit ganz anderen Augen vorbei ziehen. Am späten Nachmittag ist in der Ferne die chinesischen Pagode von Sibu auszumachen und wir laufen in den Hafen der größten Stadt am Rajang ein. Noch heute startet das Flugzeug von Sibu in Sarawak nach Kota Kinabalu in Sabah, ganz im Norden der Insel Borneo.
Es ist ein kleineres Propellerflugzeug, das uns von Sibu in Sarawak nach Kota Kinabalu in Sabah, ganz im Nord-Osten von Borneo bringen soll. Erstmalig sitze ich in einem Flieger unterhalb der Tragflächen, so dass ich wunderbaren, unbeschränkten Blick über das Land Sarawak bekomme. Die Sicht ist gut und unten sehe ich riesige Urwälder vorbei ziehen, durch die sich Flüsse und Bäche, manchmal auch Straßen schlängeln. Aber auch gerodete oder abgebrannte Flächen sind auszumachen, meist entlang der Flüsse.
Ein großer Flusslauf kommt näher, der sich wie eine Schlange in die Ferne windet. Noch warte ich ab, denn das wird mein Photo. Erst jetzt mache ich Klick, wie man sehen kann. Es wird Abend und die ersten Lichter blinken herauf. Die größere Stadt dort unten am Meer kann nur Miri sein, noch in Sarawak gelegen. Völlig dunkel ist es schon. Unter uns beginnt ein Lichtermeer sich auszubreiten. Und das auf Borneo. Na klar, das muß der superreiche Ministaat Brunei mit seinen Ölvorkommen sein. Der Sultan von Brunei gilt denn auch als reichster Mann der Welt und ich meine, von hier sogar seinen Palast sehen zu können. Im 19 Jh. wurde also von diesem Ort aus ganz Sarawak regiert. Hier ist auch James Brook, der erste Weiße Raja (gesprochen wie Radscha), beim Sultan von Brunei ein und aus gegangen. Unten ist das Lichtermeer vorbeigezogen und unser Sinkflug beginnt. Die Hauptstadt Kota Kinabalu von Sabah liegt vor uns. Ein luxuriöses Hotel direkt am Meer wartet dort auf seine Gäste aus dem tiefsten Sarawak.
Ungewohnt gut haben wir in Kota Kinabalu geschlafen. Eigentlich aber kein Wunder, da wir immerhin mal wieder in einem richtigen Bett gewesen sind. Früh aus den Federn müssen wir allerdings, denn der Mount Kinabalu ruft. Auf den höchsten Berg von ganz Süd-Ost Asien, den 4.101 m messenden Mount Kinabalu wollen wir steigen. Allein heute bis auf eine Höhe von 3.300 m, zur Laban Rata Station; um 3.00 Uhr morgens am nächsten Tag dann ganz hinauf zum Gipfel. So jedenfalls steht es im Programm. Sicherlich eine ordentliche Leistung, wenn ich bedenke, dass wir hier auf Meereshöhe genächtigt haben.
Der Bus steht parat. Ca. 80 km ist der Mount Kinabalu von Kota Kinabalu entfernt. Die Straße erweist sich als sehr gut, was ich hier am Ende der Welt nicht gedacht hätte. Richtig bergig wird es schon bald nach Verlassen von Kota Kinabalu. Rauf und runter geht die Fahrt, in Tälern entlang, auch durch Wald, obgleich schon viele Hügel und Hänge abgeholzt sind. Weite Blicke über das bergige Land eröffnen sich immer wieder und auch der Mount Kinabalu zeigt schon seine Flanken. Der obere Teil steckt leider in kräftigen, dunklen Wolken, was uns gar nicht gefallen mag. Auf gut 1000 m Höhe wird ein kleines Dorf mit quicklebendigem Markt erreicht. Ein Stopp ist natürlich Pflicht und sofort schwärmen wir aus. Ein Foto hier, ein Foto da, die Marktweiber nicken zustimmend. Auch das Panorama über die Bergwelt ist mir ein Photo wert, wie das Bild zeigt.
Die Basisstation auf etwa 1.900 m Höhe wird erreicht. Es ist eigentlich keine Station, sondern ein kleines Dorf, das sich hier am Beginn des Steiges auf den Mount Kinabalu angesiedelt hat. Voll ausgerichtet ist denn alles auf Tourismus. Unterkünfte, Souvenirshops, auch ein größeres Hotel gibt es. Genügend Autos und Busse stehen ebenfalls herum. Nicht alle, die hier her kommen, wollen allerdings auf den Kinabalu steigen. Sie quartieren sich ein, um gut angelegte, einfache Wanderwege abzulaufen, die herrliche Natur zu genießen sowie seltene Orchideen oder Kannenpflanzen zu sehen. Bartel und Erika gesellen sich zu ihnen, denn sie haben einfach keine Lust mehr, in diesem Urlaub auch noch auf den Mt. Kinabalu zu kraxeln. Einige Ringitts, so nennt sich die hiesige Währung, werden für den Aufstieg fällig und einer Erlaubnis bedarf es auch. Dafür ist der Steig auf den Kinabalu aber bestens mit Hunderten von Stufen, Geländer etc. angelegt und wird zudem gewartet.
Aufwärts geht es, Stufe um Stufe. Recht steil führt die Treppe durch herrlichsten, knorrigen Wald nach oben. Allein sind wir nicht auf Wanderschaft, denn so einige Male werden Gabi und ich überholt; andere treffen wir an kleinen Rastplätzen am Weg. Das anstrengendste Stück haben wir offenbar hinter uns. Der Weg wird jetzt auf langen Strecken flacher, wenn er auch immer höher geht. Eine Freude bei uns, die Sonne bricht durch die Wolken und bescheint die phantastisch üppige Natur um uns herum. Nur auf dem Pfad ist noch ein Weiterkommen; links und rechts ein einziges Gewirr aus Pflanzen, Buschwerk, Wurzeln und Bäumen. Wunderschön in diesem Chaos der Natur zu wandern. Eine Wanderung ist es jetzt auch wirklich, kein Vergleich mit den Strapazen im Taman Negara NP; eine zivilisierte Bergwanderung.
Erste Farnbäume tauchen auf, die ich so sehr liebe. Immer mehr werden es, bis wir fast in einen Farnwald eintauchen. Kühl ist es geworden, obgleich die Sonne noch zwischen den saftig grünen Farnwedeln durchblitzt. Unter dem Äquator wandern wir hier, geht es mir durch den Kopf. Aber auch hier spielt die Höhe eben eine entscheidende Rolle und zwar eine stärkere, als man glauben möchte. Schon auf 1000 m ist es selbst im tiefsten Afrika eher angenehm als heiß. Auf über 2000 m wird es dann kühl und auf über 3000 m schon kalt bis saukalt, wie wir noch heute Nacht erleben sollten. Steil geht es manchmal neben unserem Pfad bergab. Und das sind die Stellen, die zu einem Halt zwingen. Weit sehr weit geht hier der Blick über das Bergland von Sabah. Es ist ein schönes Bild, die Berge und Hügel mit den ziehenden Wolken zu betrachten und sich dabei zu wundern, dass das tropische Borneo in großen Teilen so bergig ist und zudem noch den höchsten Berg von ganz Süd-Ost Asien für uns bereit hält.
Wolken nehmen den Mount Kinabalu wieder in Besitz. Es fängt leicht zu nieseln an. Die Feuchtigkeit ist in dieser Region allgegenwärtig; man spürt es förmlich. Wir haben den Wolkenwald des Mt. Kinabalu erreicht. Wolken ziehen denn auch durch das Gestrüpp links und rechts des Weges und über die Hänge. Dieter, unser tropischer Kundiger als Gärtner, ist mühsam im Buschwerk unterwegs. Und er hat offenbar gefunden, was er sucht, denn er ruft: Kommt mal her. Ich arbeite mich zu ihm hoch, dann sehe auch ich das seltene Prachtstück. Eine gewaltige Kannenpflanze hängt an langem Stil herab. Fast bis oben ist der Behälter mit Wasser gefüllt, der Deckel steht aufgeklappt darüber. Ich bin fasziniert von ihr, denn diese Größe bei Kannenpflanzen habe ich bei weitem nicht erwartet. Ein paar Käfer hat sie heute schon gefangen; vergeblich versuchen sie, sich aus diesem tödlichen Gefängnis zu befreien. Andere liegen tief unten im Kelch, halb aufgelöst. Eine fleischfressende Pflanze ist diese Kannenpflanze, die wie Dieter mir fachmännisch erläutert, auch Pitcher Plant oder Nepenthacea genannt wird.
Wir finden eine weitere Pitchers Plant bzw. Nepenthacea in der Nähe. Diese ist mehr rötlich, schlanker und beeindruckt gleichermaßen. Allein der Anblick dieser Kannenpflanzen (Pitcher Plant, Nepenthacea) - so geht mir beim Weiterwandern durch den Kopf - lohnte schon den Besuch von Sabah und den bisherigen Aufstieg am Mount Kinabalu. Dieter zeigt mir weitere Seltenheiten, diesmal Orchideen, die ich als Laie einfach nicht entdeckt hätte. Die Wolken lassen uns nicht mehr los, nur ab und zu geht noch ein Blick hinab zur Bergwelt von Sabah. Immer kühler wird es und ich bin froh, meinen dicken Pullover trotz des Parker mitgenommen zu haben. Das dichte Busch- und Baumwerk bleibt bis über 3000 m Höhe unser ständiger Begleiter. Im Nebeldunst schält sich jetzt schemenhaft der Buckel des Kinabalu heraus. Glattes Granitgestein scheint dort zu sein. Und genau am Übergang der Vegetation zum nackten Fels ist auch unser Ziel, das Gebäude Laban Rata zu erkennen. Einen weiten Hang müssen wir aber noch hinauf. Unmittelbar am Abbruch des Hangs in eine steinige Schlucht führt der Weg nach oben. Es nieselt wieder, kalt ist es geworden. Erschöpft, aber heilfroh betreten wir das gewärmte Haus Laban Rata auf 3300 m.
Richtig Stimmung herrscht hier. Erstaunlich, wie viele Gipfelstürmer des Kinabalu sich versammelt haben. Halb Hütte, halb Hotel scheint Laban Rata zu sein. Hütte ist jedenfalls das Schlafgemach, denn 6 doppelstöckige Betten stehen im Zimmer. Belegt sind sie alle, wie offenbar auch weitere Zimmer. Einen heißen Tee lassen wir uns erst mal im Essraum servieren; in die dicken Colter vom Bett eingewickelt erwachen allmählich auch wieder die Lebensgeister. Sehr spät wird es aber nicht, denn um 3.00 Uhr soll Wecken sein. - Pünktlich geht der Tumult im Haus los. Stockduster ist es draußen. Noch halb im Schlaf kletter ich vom Hochbett herab. Gabi dreht sich unten zur anderen Seite um und murmelt: Geh du allein. Viel Lust hab ich auch nicht. Dennoch mal sehen, wie das Wetter heute ist. Erfreut stelle ich fest, dass es draußen gießt. Meinen guten Willen habe ich jedenfalls gezeigt, denke ich, als ich ins warme Bett zurück steige. Beim Frühstück trifft sich - was keiner voneinander erwartet hätte - die vollzählige Gruppe. Gott sei Dank, viel zu sehen gab es bei dem schlechten Wetter auf dem Mount Kinabalu nicht, wie die ersten Rückkehrer berichten.
Gegen 10 Uhr hört tatsächlich der Regen auf und es wird draußen lichter. Zeit also für unseren Abstieg, denn vollzählig sind wir ja. Und wir wissen jetzt auch, dass wir den Gipfel erklommen hätten, wenn am Kinabalu noch eine Nacht dazwischen gewesen wäre. In so kurzer Zeit von 0 auf 4100 m Höhe zu steigen, hält selbst der stärkste Mann nicht aus - darin sind wir uns alle einig. Das Programm ist Schuld an der Pleite. Die Sonne verwöhnt uns während des Abstiegs. Gemütlich gehen wir hinunter und lassen die Natur des Mt. Kinabalu intensiv auf uns wirken. Nach guten 4 Stunden ist der Bus wieder erreicht. Etwa die Zeitspanne, die die Sieger bei Wettkämpfen bis zum Gipfel des Kinabalu und zurück brauchen. Man kann es eigentlich nicht glauben.
Die beiden fröhlichen Spaziergänger Erika und Bartel kommen mit an Bord und ab fährt der Bus Richtung Kota Kinabalu. Eine Erdnussfabrik liegt passend am Weg. Alexandra strahlt und zwei Säcke, gefüllt mit Nüssen, wechseln den Besitzer. Auch unser Co-Pilot ist zwischenzeitlich nicht untätig gewesen; hinten im Kofferbereich liegt jetzt nämlich eine alte Durian Frucht, von der keiner was weiß. Erst leise, dann aber immer lauter stinkt sie so vor sich hin. Der Verdacht fällt alsbald auf die arme Erika, die ganz hinten sitzt und sich an neu erworbenen Souvenirs erfreut. Entrüstet weist sie jedoch jede Schuld von sich. Auch kein anderer bekennt sich schuldig und unser Co-Pilot versteht kein Deutsch. Nur raus aus dem Bus, heißt die Devise am Hotel. Wir schnappen nach Luft sowie unserem Gepäck und siehe da, unschuldig schauen uns eine Durian und ein Co-Pilot an. - Am Strand genießen wir noch die letzten Sonnenstrahlen für heute. Der morgige Tag ist laut Programm ebenfalls dem Baden und der Sonne auf einer kleinen Insel nahe der Stadt Kota Kinabalu vorbehalten. - Das
war also Borneo.
Ende meines Reiseberichtes von Malaysia - Borneo